Arielle

Montag, 27. Februar 2017

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Während die Jecken bereits seit Tagen wieder um die Häuser toben, habe ich mich - als bekennende Nichtkarnevalistin - tunlichst vom wilden Treiben ferngehalten.
Das hat mich aber nicht davon abgehalten, für eine sehr nette Arbeitskollegin ein Kostüm zu nähen.


Gewünscht wurde Arielle die Meerjungfrau. Eigentlich nehme ich keine Nähaufträge an, aber da es sich wirklich um eine besonders nette Kollegin handelt und ich das ganze auch als nähtechnische Herausforderung betrachtet habe, hatte ich mich ausnahmsweise entschieden, das Kostüm zu nähen.

Gut organisiert wie sie immer ist, hatte sie auch bereits alle Stoffe, das Nähgarn sowie das Schnittmuster besorgt und sich dabei auch erfreulicherweise von den fiesen, flutschigen Karnevalsstoffen ferngehalten. Statt dessen hatte sie hochwertige, unterschiedlich dicke bzw, dehnbare Satinqualitäten gewählt.

Als Grundlage für das Kostüm hatte sie den Abendkleidschnitt Nr. M7320von McCalls gekauft

Quelle:McCallsPatterns

Da ich zuvor noch nie ein Abendkleid genäht hatte, war es wirklich ein spannendes Projekt für mich.

Da das Kostüm sehr körpernah sitzen sollte, kam ich nicht an einem Nesselmuster vorbei. Wie sich bei der Anprobe zeigen sollte, war dies auch bitter nötig, da die entsprechenden Maßangaben des Schnittmusters nur wenig mit der Realität zu tun haben (was soll das - warum können die Schnittmusterhersteller keine exakten Angaben machen???).

Egal, bei der ersten Anprobe hieß es also: Reichlich Überweite abstecken. Auf den folgenden Fotos sieht man das bereits angepasste Nesselmodell:


Zusätzlich sollte das Kleid auch - abweichend von der Schnittmustervorlage - bis zum Kniebereich deutlich enger werden und erst darunter weit aufspringen.


Wie man bereits beim Nesselmuster erkennen kann, hat meine Kollegin auch das perfekte Figürchen für so ein Kleid.


Was unter dem Saum blau  hervorblitzt ist ein Unterrock mit eingearbeitetem Draht als Reifrock, den wir von einem billigen (und hochgradig fiesen...) fertigen Meerjungfraukostüm abgeschnitten hatten. Er sollte mit in das Kostüm eingearbeitet werden, damit der Draht für eine entsprechende Weite des unteren Rockteils sorgen kann. Auf den Bildern kann man noch deutlich erkennen, dass er zu lang war. Gekürzt habe ich ihn später an der oberen Ansatzkante, bevor er in das richtige Kostüm genäht werden konnte.

Da gewünscht war, dass das fertige Kostüm (im Unterschied zum Schnittmuster) aus verschiedenen Stoffen/ Farben bestehen sollte, musste ich nach dem Anpassen der Nesselprobe auch noch zwei Querteilungen vornehmen: Eine unterhalb des Busens und eine zweite auf Kniehöhe.


Auf dem obigen Foto kann man die nach der Anprobe wieder auseinander getrennten Nesselschnittteile sehen, auf denen auch bereits die Markierungen für die Querteilungen eingezeichnet sind.

Leider kam mir dann eine Magen- und Darmgrippe dazwischen, die mich fast eine ganze Woche außer Gefecht setzte, so dass ich anschließend auch eine komplette Nachtschicht einschieben musste, um das Meerjungfrauenkleid noch rechtzeitig fertig zu stellen.

Auf dem Foto sieht man das Rumpfteil das ich für die Zwischenanprobe vorbereitet hatte. Zuerst waren schmale Träger wie bei einem Bikini gewünscht, bei der Anprobe stellten wir aber gemeinsam fest, dass etwas breitere Träger doch besser passen.


Damit das Kleid auch ohne BH getragen werden kann, hatte meine Kollegin auch Schaumstoffcups besorgt. Allerdings musste ich etwas grübeln, wie ich sie möglichst unsichtbar einnähen könnte. Die Lösung sah dann folgendermaßen aus:


Das Büstenteil habe ich mit dem lila Oberstoff abgefüttert. Die Schaumstoffcups habe ich dann mit der Hand an den Zugaben der Querteilungsnähte des Futterteiles befestigt. Dadurch sind sie dann an der Oberseite tatsächlich unsichtbar und das Kleid sitzt obenherum schön fest.

Etwas sorgen machte mir auch der Reißverschluß. Erfahrungsgemäß verrutschen beim Einnähen mit der Maschine (zumindest bei mir) immer die Kanten der unterschiedlichen Stofflagen, was bei zwei verschiedenen Farben ausgesprochen blöd aussieht. daher habe ich auch den Reißverschluß mit der Hand eingenäht.


Hier noch in der Detailansicht:


Zwei Stunden bevor das Kleid abgeholt (und am selben Abend noch getragen werden sollte...) saß ich noch an der Nähmaschine und befand mich kurz vor einem Heulkrampf, da sich der fertige Unterrock mit dem eingebauten Draht aus dem alten Billigkostüm partout nicht einnähen lassen wollte. Der Draht der unter der Maschine fröhlich hin- und herflutschte, hat mich fast in den Wahnsinn getrieben und es brauchte mehrere Näh- und Trennanläufe, bis sich das Rock- teil an den Rumpf annähen ließ.


Dafür waren die hellgrünen Flossen ganz brav und machten beim Nähen keinen Ärger.

Natürlich gibt es auch bei diesem Kleid ein bis zwei Macken, die aber wahrscheinlich nur mir auffallen. Insgesamt bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden und meine Kollegin war sehr glücklich, als sie das fertige Kostüm in Empfang nehmen konnte.


Insgesamt habe ich 31 Stunden für das Kostüm gebraucht (inkl. Nesselprobe). Damit sich der Aufwand auch gelohnt hat, trägt meine Kollegin das Kleid in dieser Session zu allen Karnevalsparties die sie besucht. 

Allerdings werde ich wahrscheinlich schreiend davonlaufen, wenn mich in den nächsten 10 Jahren noch einmal jemand fragen sollte, ob ich ein Karnevalskostüm nähen könnte ;o)